Historisch Kritische Kommentierung des Ernst-Thälmann-Denkmals

Der Thälmann-Mythos in der DDR

Die DDR erhob Ernst Thälmann zu ihrem ersten deutschen Helden. Die Staatsführung instrumentalisierte und idealisierte Thälmann zu einer Kultfigur. Sie stilisierte ihn zum mutigen Kämpfer gegen den Faschismus, zu einem dem Volk verbundenen Arbeiterführer sowie zum Märtyrer und Opfer des Nationalsozialismus. Ihm wurde eine führende und überragende Rolle in der deutschen Geschichte zugewiesen. Die DDR nutzte den Thälmann-Kult zur eigenen Legitimierung: Thälmanns Widerstand gegen das Naziregime wurde als Kampf der Arbeiterklasse für ihre Befreiung ausgelegt, aus dem die DDR hervorging.

Mahnwache der „Jungen Pioniere“ vor dem Ernst- Thälmann-Denkmal, 1986.
Mahnwache der „Jungen Pioniere“ vor dem Ernst- Thälmann-Denkmal, 1986.
Die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation umfasste Fahnenappelle und Demonstrationen, aber auch Diskoabende und Bastelnachmittage. Auf Ungehorsam folgten Disziplinierungen wie der Ausschluss von Klassenfahrten oder von der Oberstufe. Die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation prägte Kindheit und Jugend vieler DDR-Bürger:innen.
Museum Pankow

Von Anbeginn der DDR war Thälmann das Vorbild sozialistischer Erziehung. Die 1948 gegründete staatliche Massenorganisation für Kinder wurde 1952 in „Pionierorganisation Ernst Thälmann“ umbenannt. Sie diente in der DDR dazu, Kinder zwischen sechs und 14 Jahren im Sinne der sozialistischen Ideologie zu erziehen. Die Organisation war eng mit dem Schulunterricht verzahnt. Der Großteil der Schüler:innen war Mitglied. Nichtmitglieder wurden vielfach benachteiligt.

Schulalltag von Erstklässlern in der 10. Oberschule Berlin-Prenzlauer Berg, 1978. Der Jungpionier meldet der Lehrerin mit dem Pioniergruß die Unterrichtsbereitschaft der Klasse.
Schulalltag von Erstklässlern in der 10. Oberschule Berlin-Prenzlauer Berg, 1978. Der Jungpionier meldet der Lehrerin mit dem Pioniergruß die Unterrichtsbereitschaft der Klasse.
Volker Döring

Der Thälmann-Mythos durchzog die gesamte ostdeutsche Gesellschaft auch durch Filme, Literatur, Lieder, Darstellungen der bildenden Kunst, Fotografien sowie jährliche Gedenkfeiern zu seiner Geburt und seinem Tod. Straßen mit seinem Namen prägten den öffentlichen Raum.

Regierungsdelegation (u. a. Erich Honecker) bei einer Besichtigung des Ernst-Thälmann-Parks, 1985.
Regierungsdelegation (u. a. Erich Honecker) bei einer Besichtigung des Ernst-Thälmann-Parks, 1985.
Die Greifswalder Straße gehörte zu einer der sogenannten Protokollstrecken für die DDR-Führung und ausländische Staatsgäste. Vorbei an Denkmal und Prestigeobjekt Ernst-Thälmann-Park führte sie bis zur Waldsiedlung Wandlitz, dem Wohnsitz der Mitglieder des Politbüros.
Museum Pankow, Foto: Paul Nickel

Mit der Benennung des Wohngebiets rund um das Denkmal in Ernst-Thälmann-Park wurde Thälmann zudem zum geistigen Vater des Wohnungsbauprogramms der DDR ausgerufen.

Mit großem propagandistischem Aufwand unter Beteiligung von Schulklassen und Betriebsbelegschaften weihte SED-Generalsekretär Erich Honecker am Vorabend des 100. Geburtstages von Ernst Thälmann am 15. April 1986 das Denkmal und die Wohnanlage ein.
Mit großem propagandistischem Aufwand unter Beteiligung von Schulklassen und Betriebsbelegschaften weihte SED-Generalsekretär Erich Honecker am Vorabend des 100. Geburtstages von Ernst Thälmann am 15. April 1986 das Denkmal und die Wohnanlage ein.
Museum Pankow